FBI-Hausdurchsuchung bei Trump | Hintergrund

Etwas verunglücktes Foto von Donald Trump mit erhobenen Daumen neben der Beschriftung "Mar-A-Lago: Trump Hausdurchsuchung" | © 2022 Claus R. Kullak | History in HD / Unsplash | crk-respublica.de

Das FBI machte eine Hausdurchsuchung in Donald Trumps Domizil in Mar-A-Lago. Ein für einen Ex-Präsidenten nie dagewesener Vorgang. Was steckt dahinter, was folgt?

In Deutschland war sie nur eine Randnotiz in den Nachrichten. Doch in den USA ist die Hausdurchsuchung in Ex-Präsident Donald Trumps Zuhause in Mar-A-Lago, Palm Beach, Florida ein Riesenthema. Warum das so ist, erschließt sich vielleicht nicht sofort. Deshalb möchte ich es hier erläutern.

Zunächst muss festgestellt werden, dass es in den USA noch nie juristische Ermittlungen oder gar eine Hausdurchsuchung bei einem Ex- oder amtierenden Präsidenten gegeben hat. Einerseits hat das Justizministerium (Department of Justice, DOJ) ein Statut erlassen, nicht gegen amtierende Präsidenten zu ermitteln. Andererseits waren Ermittlungen gegen Ex-Präsidenten meines Wissens bislang – mit Ausnahme des schnell begnadigten Richard Nixon – nicht notwendig.

Für viele Amerikaner ist die Strafverfolgung einer durch ihr Amt so hoch gewürdigten Person wie eines Präsidenten oder Ex-Präsidenten nicht unbedingt wünschenswert. Während ihrer Amtszeit befürchtet man Ablenkung von den Pflichten. Und danach stellt sich die Frage: Wie bestraft man jemanden, den man beispielsweise nicht einfach ins Gefängnis stecken kann?

Zugleich gilt in den USA, einem Rechtsstaat, natürlich, dass niemand über dem Gesetz steht, sprich auch der Präsident dem Gesetz und der Justiz unterworfen werden muss.

Welche Rechtsfragen anhängig sind

Gerade in diesem Punkt allerdings ist Donald Trump bislang – trotz seiner vielfältigen mutmaßlichen Rechtsbrüche – bemerkenswert ungeschoren davongekommen.

  • Die Anklage wegen Finanz-, Steuer- und Versicherungsbetrug gegen ihn und die Trump Organization wurde bislang nicht erhoben. Allerdings war Trump am Dienstag, den 09.08., in New York zu einer Aussage in dieser Sache vorgeladen.
    Addendum: Er verweigerte die Aussage unter Berufung auf das fünfte Amendment – wegen drohender Selbstinkriminierung.
    Addendum: Es wird erwartet, dass sich der ehemalige CFO der Trump Organization, Allen Weisselberg, am 18.08. schuldig bekennt. Er erwartet eine sechsmonatige Haftstrafe.
  • Die betrügerische Zusammenarbeit mit Russland bei der Wahl 2016, welche von der sogenannten Muller-Untersuchung aufgedeckt wurde, wurde nicht juristisch aufgearbeitet.
  • Die versuchte Erpressung persönlicher Gefallen von der Ukraine in einem Telefongespräch mit Präsident Wolodymyr Selenskyj führte zwar zu einem Amtsenthebungsverfahren (impeachment), blieb jedoch ohne Konsequenzen.
  • Die Verfolgung des versuchten rechtswidrigen Wahlbeeinflussung 2020 in unter anderem Georgia steckt noch in den Anfängen.
    Addendum: Hier gibt es eine Grand-Jury-Untersuchung, die – wie sich nach Abschluss dieses Artikels herausstellte – aktuell ihren Fokus auf Rudy Giuliani, Trumps Anwalt, gelegt hat. Er wurde am 17.08. befragt.
  • In den Ermittlungen um den Versuch, die Präsidentschaftswahlen 2020 bei ihrem Abschluss am 6. Januar durch sogenannte Fake Wahlleute (fake electors) umzukehren, erstrecken sich bislang nicht auf Trump selbst.
    Addendum: Auch dies ist eine Grand-Jury-Ermittlung. Am 17.08. wurden hierfür umfangreiche Unterlagen vom National Archive angefordert. Es könnte Überschneidungen mit folgendem Punkt geben:
  • Auch das zweite Amtsenthebungsverfahren aufgrund des von Trump angestifteten Aufstandes am 6. Januar blieb für ihn folgenlos. Zwar zeichnet sich bei den January 6th Hearings ab, dass ihm dafür in nicht-juristischem Sinne die Schuld zugeschrieben werden kann. Doch erhoffen sich viele bislang vergeblich Anzeichen einer juristischen Aufarbeitung vom DOJ.
  • Und als Letztes in dieser unvollständigen Liste möchte ich nennen die Veruntreuung von Dokumenten aus dem Präsidentschaftsamt inklusive einer Anzahl als streng vertraulich gekennzeichneter Unterlagen, die Anfang 2022 aufflog.

Kein Wunder also, dass auf Seiten der Trump-Kritiker eine gewisse Ungeduld herrscht. Kein Wunder auch, dass zunächst großes Rätselraten dazu bestand, in welcher Sache die Hausdurchsuchung vom 08.08.2022 in Mar-A-Lago eigentlich stattfand.

Worum es bei der Hausdurchsuchung geht

Tatsächlich klärte sich diese Frage innerhalb weniger Stunden: Gegenstand der Hausdurchsuchung war die Suche nach weiteren von Donald Trump am Ende seiner Amtszeit veruntreuten Dokumenten.

Worum es dabei geht, ist Folgendes: Seit Watergate gehören alle im Weißen Haus verwendeten Unterlagen, auch Notizzettel etc., dem Staat und müssen zum Ende der Amtszeit übergeben werden. Für solche Dokumente gilt laut 18 US Code § 1924 und § 2071, dass sie bei Strafe weder entfernt oder beschädigt noch zerstört werden dürfen. Das Gesetz bedroht Amtsinhabern auch mit einem Verbot, zukünftig Ämter zu übernehmen.

Addendum: Teil 2 dieser Artikelreihe gibt hierzu Konkretisierungen.

Das gilt für alle – auch für den Präsidenten oder Vize-Präsidenten. Dennoch deuteten verschiedene Zeugen und zuletzt auch Fotobeweise darauf hin, dass Trump solche Unterlagen häufig zerriss und sogar in der Toilette hinunterspülte. 

Für geheime Dokumente sind die Regelungen noch strikter. Auf MSNBC verweist Laurence Tribe darauf, dass bei der Veruntreuung von Dokumenten, deren Inhalt die nationale Sicherheit der USA beeinträchtigen kann, Geldstrafen oder eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren droht. Allerdings ist davon auszugehen, dass ein ehemaliger US-Präsident nicht wegen so etwas verurteilt werden wird, meint der ehemalige FBI-General-Counsil Andrew Weissmann auf MSNBC.

Die veruntreuten Dokumente

Nicht nur im Falle des ehemaligen US-Präsidenten muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei einer Hausdurchsuchung um eine hohe Eskalationsstufe und eines der letzten Mittel handelt, so der ehemalige FBI-Official Chuck Rosenberg auf MSNBC. Was also war geschehen?

Das National Archive hatte schon im vergangenen Jahr fehlende Dokumente angemahnt, die Trump widerrechtlich mit nach Mar-A-Lago genommen hatte. Im Januar hatte der Ex-Präsident den Forderungen nachgegeben und 15 Kisten mit Dokumenten übergeben. Ein Teil dieser Dokumente war so geheim gewesen, dass selbst ihre Bezeichnung im Inventar der Kisten noch streng geheim und somit nicht möglich war. Die Anzahl dieser geheimen Dokumente darin ist so groß, dass die nicht-geheime Version der geheimen Listung ganz drei Seiten umfasst.

Allerdings bestand der Verdacht fort, dass Trump Dokumente zurückhält. So war es dem National Archive Anfang Juni gelungen, Trump mittels einer strafbewehrten Aufforderung (sub poena) zur Herausgabe weiterer Kisten mit Dokumenten zu bewegen. Dass sich die Behörden nun zu einer Hausdurchsuchung entschlossen, muss – so Rosenberg – daran liegen, dass bei ihnen der Eindruck entstanden war, Trump auf keine andere Weise zur Herausgabe der Dokumente bewegen zu können. Tatsächlich beschlagnahmten die Beamten am Montag rund ein Dutzend weiterer Kisten.

Addendum: In Teil zwei dieser Artikelreihe, dass es über zwei Dutzend Kisten waren.

Voraussetzungen einer Hausdurchsuchung

Former FBI Deputy Director Andrew McCabe sagte auf CNN, eine Hausdurchsuchung bei einem Ex-Präsidenten werde sowohl beim FBI als auch im DOJ mit größter Zurückhaltung gehandhabt worden sein. Ohnehin sind die Hürden für einen Durchsuchungsbefehl sehr hoch: 

Das FBI muss vor Gericht eine eidesstattliche Erklärung (affidavit) vorgelegt haben, welcher den hinreichenden Verdacht (probable cause) belegt, dass eine Straftat begangen wurde. Diese Erklärung kann dutzende oder hunderte von Seiten umfassen. Außerdem muss hinreichender Verdacht bestehen, dass und welche Beweise für diese Straftat durch die beantragte Hausdurchsuchung gefunden werden können. Nur wenn ein Bundesrichter von beidem überzeugt ist, wird er einen Durchsuchungsbefehl ausstellen.

Solch ein Durchsuchungsbefehl habe, erklärt der ehemalige Staats- und Bundesstaatsanwalt Elie Honig auf CNN, in der Regel nur eine Seite. Nur im Einzelfall sei dem Befehl eine Liste der Vorwürfe beigefügt, um welche es gehe. Anders als die eidesstattliche Erklärung ist der Durchsuchungsbefehl Trump zugänglich. Auch eine Liste der beschlagnahmten Gegenstände erhält er.

Auch mit einem Durchsuchungsbefehl kann man nur am darin spezifizierten Orten suchen, wobei dieser bei der Suche nach Dokumenten sicherlich breit definiert sei. Auseinandernehmen – so wie man das im Krimi gerne sieht – kann man einen zu durchsuchenden Ort nur, wenn man nach sehr kleinen Dingen sucht, sagt der ehemalige FBI Official Frank Figliuzzi gegenüber MSNBC. Es gilt laut Rosenberg jedoch der ‚plain view‘-Grundsatz: Alles, was offen sichtbar und geeignet ist, als Beweismittel eingesetzt zu werden, darf beschlagnahmt werden. Und das gilt explizit auch, wenn es andere als die hier konkret verfolgten Straftaten betrifft. 

Reaktionen zur Hausdurchsuchung

Republikanische Stimmen in den USA und der Ex-Präsident selbst verurteilen die Hausdurchsuchung. Dabei wurde vor allem die Rechtsstaatlichkeit der Hausdurchsuchung in Frage gestellt – obwohl an dieser kein Zweifel bestehen kann. Die Rede ist von einer ‚politischen Hexenjagd‘. Diese Behauptung stellte Trump seit Anfang seiner Amtszeit bei allen gegen ihn gerichteten Untersuchungen auf. Bekanntestes Beispiel dafür ist die sogenannten Muller Investigation. Bei Fox and Friends auf FOX news fabulieren die Hosts entsprechend darüber, das FBI würde in Mar-A-Lago Beweise pflanzen, statt zu suchen.

Der zuständige Richter und Merrick Garland, der US-Generalbundesanwalt (Atterney General, AG), wurden mit Untersuchungen oder Amtsenthebungsverfahren bedroht. Vereinzelt wurde befürchtet, Trump könne – früheren Drohungen entsprechend – seine Anhänger aufhetzen. In Palm Beach gab es Demonstrationen. Auf Twitter trendete ‚cilvil war‘ (Bürgerkrieg). Unterdessen kam es in Cincinetti sogar zu einem versuchten terroristischen Anschlag auf ein FBI-Büro, bei welchem der Attentäter getötet wurde. 

Über AG Merrick Garland sagte Elie Honig auf MSNBC noch am Dienstag, dass er sich wohl nicht öffentlich zu der Sache äußern werde. Am Donnerstag, den 11.08., jedoch trat er vor die Presse und teilte mit, dass er den Antrag gestellt habe, den Durchsuchungsbefehlt und die Liste der beschlagnahmten Gegenstände von der Geheimhaltung zu befreien. Möglich sei dies aus seiner Sicht, weil Trump selbst den Vorgang der Hausdurchsuchung öffentlich gemacht habe. 

Wohl hegt Garland die Hoffnung, durch Offenlegen der Tatsachen die Vorwürfe einer politischen Verschwörung zu entkräften und die Lage zu beruhigen. Ob Trump einer solchen Offenlegung zustimmt, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. 

Addendum: In Teil zwei dieser Artikelreihe erläutere ich, was uns die Offenlegung dieser Dokumente sagt.

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